Update November 2019
Diesmal:
– Statistische Bundesamt: Zahl der Normalarbeitsverhältnisse auf Rekordhoch
– BAG: Ohne vollständige Inbezugnahme kein Abweichen vom Equal-Pay-Grundsatz (BAG, Urteil vom 16. Oktober 2019 – 4 AZR 66/18)
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Statistische Bundesamt: Zahl der Normalarbeitsverhältnisse auf Rekordhoch
Laut einer Pressemitteilung des Statistischen Bundesamtes vom 9. Oktober 2019 waren 70,3% der Kernerwerbstätigen in Deutschland 2018 in einem Normalarbeitsverhältnis angestellt – also sozialversicherungspflichtig, unbefristet mit mindestens 21 Wochenstunden und nicht in Zeitarbeit. Wie das Statistische Bundesamt mitteilt, lag der Anteil der Beschäftigten in einem Normalarbeitsverhältnis an allen Kernerwerbstätigen (Erwerbstätige im Alter von 15 bis 64 Jahren, ohne Personen in Ausbildung oder Freiwilligendienst) damit erstmals seit 2002 wieder über der Marke von 70 %. Zuvor war der Anteil rückläufig mit einem Tiefstand von 65,4 % im Jahr 2007. Dieser aktuellen Zunahme steht ein Rückgang der atypischen Beschäftigung gegenüber. Er fiel von 22,6 % im Jahr 2007 auf 20,1 % im Jahr 2018. Zugleich sank der Anteil der Selbstständigen von 11,1 % auf 9,3 %.
Praxishinweis:
Die Statistik zeigt, dass das so genannte „Normalarbeitsverhältnis“ entgegen der landläufigen Meinung tatsächlich weiterhin die Mehrzahl aller Arbeitsverträge betrifft. Nach einem Rücklauf in den letzten Jahren bestand im Jahr 2018 wieder das Niveau aus dem Jahre 2002.
Für atypische Arbeitsverhältnisse wie Befristungen und freie Mitarbeit hat der Arbeitgeber zahlreiche rechtliche Hindernisse vorgesehen, die sorgfältig zu beachten sind. Immer wieder beschäftigen uns diese Vorgaben in unserer Beratungspraxis. Sollten Sie Fragen zu den strengen Anforderungen oder weiteren Einzelheiten haben, kommen Sie gerne auf uns zu.
BAG: Ohne vollständige Inbezugnahme kein Abweichen vom Equal-Pay-Grundsatz (BAG, Urteil vom 16. Oktober 2019 – 4 AZR 66/18)
Arbeitgeber, die als Verleiher Leiharbeitnehmer an einen Dritten überlassen, können vom Grundsatz der Gleichstellung („Equal-Pay“) kraft arbeitsvertraglicher Vereinbarung nach § 9 Nr. 2 Halbs. 3 AÜG aF nur dann abweichen, wenn für den Entleihzeitraum das einschlägige Tarifwerk für die Arbeitnehmerüberlassung aufgrund dieser Bezugnahme vollständig und nicht nur teilweise anwendbar ist.
Praxishinweis:
„Rosinenpicken nicht gestattet“ könnte dieses Urteil des Bundesarbeitsgerichtes zusammengefasst werden. Mit der überwiegenden Meinung in Literatur und Rechtsprechung hat das Bundesarbeitsgericht entschieden, dass eine nur teilweise Inbezugnahme auf einen Tarifvertrag keine Abweichung vom Grundsatz gestattet. Was heißt das konkret?
Leiharbeitnehmer dürfen grundsätzlich den gleichen Lohn wie Arbeitnehmer der Stammbelegschaft verlangen – es sei denn, es besteht ein abweichender Tarifvertrag (§ 9 Nr. 2 Halbs. 3 AÜG a.F. bzw. § 8 Abs. 2 AÜG n.F.). Von dieser Ausnahme wird weitreichend Gebrauch gemacht.
Der Gesetzgeber lässt diese Ausnahmen vom Grundsatz zu, da bei Abschluss eines Tarifvertrages zu vermuten ist, dass bei Vertretung der Arbeitnehmerschaft durch Gewerkschaften ein hinreichender Interessenausgleich stattgefunden hat.
Dieser Zweck kann allerdings nur erfüllt werden, wenn der Arbeitgeber den Tarifvertrag vollständig anwendet bzw. vollständig in Bezug nimmt. Schon wenn der Arbeitsvertrag einzelne Abweichungen zuungunsten des Arbeitnehmers vorsieht, so das Bundesarbeitsgericht, fehlt eine solche vollständige Inbezugnahme und eine Abweichung vom Equal-Pay-Grundsatz ist nicht mehr erlaubt. Anders ausgedrückt: „Ganz oder gar nicht“- soll einerseits der Lohn eines Leiharbeiters/einer Leiharbeitnehmerin niedriger als der Lohn der Stammbelegschaft ausfallen, muss andererseits der Arbeitgeber auch sämtliche weiteren Regelungen des einschlägigen Tarifvertrages insgesamt berücksichtigen.